"Dämmerung" von Mario Schumann

"Dämmerung" von Mario Schumann

Als die Zeit noch jung war und die Sterne Kinder, da wohnten zwei Götter in der Welt, die nannten sich Liebe und Verzweiflung. Die Liebe war so hell wie die Sonne und ihr Antlitz strahlte wie von Diamanten. Die Verzweiflung dagegen war schwarz wie die Nacht und im Moloch ihres Angesichtes glühten schmutzige rote Rubine. Es kam die Zeit da das All-Eine die Menschen schuf und an dem Ort wo der Anfang das Ende gebirt, wurde Gericht gehalten über die Seelen, die einher gehen würden über die Erde. Das blinde alte Weib warf die Knochen in den Sand und der Weg ein jeder Seele war bestimmt. Nackt waren sie und das All-Eine kleidete sie in Fleisch. Blind waren sie und das All-Eine gab ihnen Licht das sie sahen. Stumm waren sie und das All-Eine gab ihnen Zungen zu sprechen. Und aus der Pforte der Erde traten sie hinaus in das Leben und links von ihnen stand die Liebe und sie schenkte ihnen Hoffnung und das Glück. Und rechts von ihnen stand die Verzweiflung und sie schenkte ihnen die Einsamkeit und den Tod. Wenn die Menschen vom Dunkel an die Oberfläche kamen, wo der Tag, die Nacht, die Luft und das Feuer waren, da lebten sie, da liebten sie, da litten sie, da starben sie.
Die Zeit wurde alt, die Sterne weise. Ein grauer Schleier legte sich über die Augen des All-Einen und es legte sich nieder um zu schlafen bis zum Ende der Zeiten. Die Menschen lachten, die Menschen weinten und sie vergaßen. Staub senkte sich auf die Welt wo die Fleisch gewordenen Seelen noch immer einhergingen. Und dort wo sie seit Anbeginn wohnten, erstickte der Staub langsam die Liebe und die verzweiflung baute sich aus ihm ein düsteres Schloss. Im Herzen der Menschen, aus den Schatten der Seelen.

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